Digitaler Wahlkampf

Politik im Netz – Stimmenfang 2.0

Man sieht einen Wahlzettel, sowohl auf einem Tablet, als auch auf Papier.

FDP-Chef Christian Lindner macht sich auf dem Weg zu Anne Will noch ein paar Notizen. Und Grünen-Kandidatin Kathrin Göring-Eckardt trinkt beim Feierabend mit den Kollegen Bier und Limo. Woher diese Informationen kommen? Beide haben sie auf dem Mikroblogging-Dienst Twitter veröffentlicht. Auch das ist Wahlkampf – Wahlkampf 2.0. Doch wie sieht der Wahlkampf im Netz aus?

Der Wahlkampf im Internet setzt an verschiedenen Stellen an. Das ist nicht anders als im normalen Wahlkampf. Die Parteien und ihre Spitzenkandidatinnen und -kandidaten versenden E-Mail-Newsletter, veröffentlichen Informationen auf ihren Websites und sind vor allem auch in den sozialen Netzwerken sehr aktiv.

Auf den Websites liefern die Parteien Informationen zu den Kandidierenden, Zielen und dem Programm der Partei. Hier finden sich gebündelte Informationen. Zusätzlich haben die meisten der Spitzenkandidatinnen und -kandidaten noch eine eigene Website, auf denen oft die jeweiligen Biografien und auch Termine für den Wahlkampf zu finden sind. Außerdem lassen sich über die Websites E-Mail-Newsletter bestellen. So wird man regelmäßig mit Informationen versorgt.

Die Rolle der sozialen Netzwerke

Der größte Teil des Wahlkampfs 2.0 findet aber in den sozialen Netzwerken statt. Die Wichtigsten dabei sind Facebook, Twitter oder auch YouTube und Instagram. Wer selbst bei den entsprechenden sozialen Netzwerken angemeldet ist, kann die Profile der Parteien und der Kandidierenden abonnieren bzw. „liken“. So bekommt man die Postings angezeigt.

Die Größenordnungen sind in diesem Bereich sehr unterschiedlich. Bundeskanzlerin Angela Merkel folgen auf Facebook zum Beispiel über 2,5 Millionen Menschen, Martin Schulz (SPD) hingegen „nur“ rund 356.000 Menschen. Dafür hat der SPD-Spitzenkandidat auf Twitter jedoch mit 476.000 die meisten sogenannten „Follower“ unter den Spitzenkandidatinnen und -kandidaten.

Viele verschiedene Strategien

Was auf den sozialen Netzwerken veröffentlicht wird, ist von Profil zu Profil unterschiedlich. Auf der Facebook-Seite von Bundeskanzlerin Angela Merkel sind hauptsächlich Fotos von Veranstaltungen aus dem Wahlkampf zu sehen und somit wird der „normale“ Wahlkampf eher dokumentiert. Die Linken-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht hingegen veröffentlicht oft längere Wortbeiträge, um ihre Position deutlich zu machen, und ergänzt diese Beiträge meist mit Videos oder Fotos.

Ganz anders zeigt sich FDP-Chef Christian Lindner. Der Politiker gewährt auf Facebook von Zeit zu Zeit auch Blicke hinter die Kulissen des Wahlkampfes. Neben den Postings zu Wahlkampfauftritten veröffentlicht er auch Selfies und Videos von unterwegs. Die Wählerinnen und Wähler haben so das Gefühl, „näher dran“ zu sein.

Auch auf Twitter werden unterschiedliche Strategien genutzt. Cem Özdemir, der Spitzenkandidat der Grünen, twittert nur selten selbst. Er nutzt die „retweet“-Funktion und veröffentlicht Tweets von anderen Medien oder seiner Partei. Kanzlerkandidat Martin Schulz hingegen wird in seinen Tweets sehr persönlich und schildert Eindrücke aus dem Wahlkampf.

Teurer Online-Wahlkampf
Die Strategien und ihre Umsetzung lassen sich die Parteien einiges kosten. So wollen zum Beispiel die Grünen rund eine Million Euro für den Wahlkampf in den sozialen Netzwerken ausgeben. Das ist die Hälfte ihres Anzeigenbudgets. Bei der FDP und den Linken liegt das Budget bei 500.000 bzw. rund 650.000 Euro. Doch nicht alle Parteien wollen solche Angaben machen.

Im Netz geht es oft um Aufmerksamkeit

Für den Wahlkampf im Netz werden viele Themen nur oberflächlich behandelt oder manche Aussagen stark zugespitzt, denn in den sozialen Netzwerken gibt es vor allem ein Ziel: Aufmerksamkeit. So sollen verstärkt Emotionen geweckt werden. Das kann Verärgerung über eine provozierende Aussage, aber auch Belustigung über ein Video sein. Ein Beispiel: Außenminister Sigmar Gabriel liest in einem Video für ein Onlineportal schlechte Witze vor. Viele, meist junge, Internetnutzerinnen und -nutzer sehen das Video und verbreiten es. Auch das kann Interesse an der Partei wecken.

Die Möglichkeiten für den Wahlkampf im Netz sind groß. Und die Parteien versuchen, sie auf verschiedene Weise zu nutzen. Einige übertragen lediglich den „normalen“ Wahlkampf ins Netz und andere zeigen sich innovativ. Fakt ist, dass Wahlentscheidungen zunehmend unter Zuhilfename des Internets entschieden werden.

Weiterführende Links

Netzpolitik.org berichtet über das Thema Online-Wahlkampf.

Dieser Artikel gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Datum: 7. September 2017